"Kaum etwas ist besser dafür geeignet, CO2 aus der Atmosphäre zu holen und zu binden, als Bäume."
Dass unsere CO2-Emissionen nicht sinken, liegt an der Ineffizienz der Klimaschutzmaßnahmen, behauptet der Journalist Alexander Neubacher.
Herr Neubacher, woran krankt unsere Klimaschutzpolitik?
Das Kernproblem beim Umweltschutz ist generell, dass natürliche Ressourcen wie Luft oder Wasser nichts kosten. Jeder glaubt, sie nutzen und verschmutzen zu dürfen, ohne dafür zu bezahlen. Für Schäden muss die Allgemeinheit aufkommen. Der Preis, der in einer Marktwirtschaft sonst alle wichtigen Informationen über Knappheit, Angebot und Nachfrage widerspiegelt, ist deshalb fundamental falsch. Zwar weiß jeder Einzelne, dass sein gieriges Verhalten der Umwelt schadet, aber keiner will der Dumme sein, der sich bescheiden zurückhält, während andere hemmungslos zugreifen. Die Rationalität des Einzelnen steht im Widerspruch zur Rationalität der Gemeinschaft, betriebswirtschaftliches Kalkül im Widerspruch zu volkswirtschaftlichem Kalkül. Dieses Problem lässt sich nur lösen, indem der Staat entschlossen eingreift und klare Regeln festlegt. Regeln, die verhindern, dass das Eigennutzstreben das Gemeinwohl ruiniert. Das tut der Staat aber nicht – zumindest nicht ausreichend. Wir haben zwar eine Überfülle an Einzelmaßnahmen, die durch Gesetze, Verordnungen, Normen und Förderprogramme definiert sind, doch die ergeben noch kein schlüssiges Gesamtkonzept. Unsere Klimaschutzpolitik ist geprägt von einem tiefen Misstrauen gegenüber den Prinzipien der Marktwirtschaft. Und das führt dazu, dass sie sehr ineffizient ist.
Warum ist unsere derzeitige Klimaschutzpolitik ineffizient?
Weil sie die Preise recht willkürlich verzerrt und somit falsche Verhaltensanreize schafft. Nehmen wir als Beispiel die Gebäudemodernisierung – plakativ vereinfacht: Vier Häuser, jedes weist andere Schwächen auf, und jeder Hausbesitzer hat den gleichen Geldbetrag zur Verfügung. Bei Haus 1 lässt sich die größte CO2-Einsparung mit einer Wärmedämmung erzielen, bei Haus 2 mit besseren Fenstern, bei Haus 3 mit einem neuen Heizungssystem und bei Haus 4 mit einer Photovoltaikanlage. Wenn jetzt aber die Photovoltaikanlage deutlich mehr gefördert wird als die anderen Maßnahmen, dann verführt das alle vier Hausbesitzer dazu, ihr Geld in eine Photovoltaikanlage zu investieren. Und das schadet dem Klima, weil dadurch eben weniger CO2 eingespart wird, als eigentlich möglich wäre.
Es wäre also am sinnvollsten, die eingesparte CO2-Menge statt bestimmter Technologien zu fördern?
Ja genau, das wäre der effizienteste und damit sinnvollste Weg. Wir sollten entweder jede eingesparte Tonne CO2 mit einem immer gleichen Förderbetrag belohnen – oder jede Tonne freigesetztes CO2 mit einer CO2-Steuer oder einem konsequenten CO2-Zertifikatehandel zu einem spürbaren Kostenfaktor machen. Der Staat muss nur dafür sorgen, dass es einen ausreichenden Anreiz gibt, CO2 einzusparen. Wie das dann am effizientesten geschieht, das sollte jeder Bürger und jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden und entscheiden. Das wäre Marktwirtschaft. Das würde dazu führen, dass jeweils da in die CO2-Vermeidung investiert wird, wo die CO2-Vermeidungskosten gering sind, also die Klimaschutzleistung pro investiertem Euro hoch ist. Märkte wirken der Verschwendung entgegen. Und sie befreien zudem die Politik von der Überforderung, genau wissen zu müssen, wie sich die Zukunft entwickeln wird. Momentan verschwenden wir aber Milliardenbeträge für eine oft wirkungslose Ökosymbolik. Von Effizienz kann keine Rede sein.
Wäre ein ausreichender Anreiz zum Einsparen von CO2 vorhanden, welche Maßnahmen würden sich dann durchsetzen?
Das lässt sich schwer voraussagen, weil unsere Welt viel zu komplex ist, um alles zu durchschauen, vorherzusehen und exakt zu planen. Die Photovoltaik beispielsweise würde dann im sonnenarmen Deutschland eher nicht mehr boomen, weil die CO2-Einsparung pro investiertem Euro relativ gering ist. Eine CO2-orientierte Politik würde auch nicht zwangsweise zu großen technischen Innovationen führen, sondern zunächst einmal zu ganz banalen, unspektakulären Maßnahmen wie einer guten Wärmedämmung bei Gebäuden. Oder zu einer Ausweitung von Waldflächen und einer Intensivierung nachhaltiger Forstwirtschaft, denn kaum etwas ist besser dafür geeignet, klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre zu holen und langfristig zu binden, als Bäume.